Studiokino der AG Stadtkino e.V. im Schönborner Hof (Maison de France)

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Wahrheit und Lüge im Film
Juni 2005


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Programmkalender Juni-Juli zum Download: CM_Kalender0605.pdf (Acrobat PDF-Datei, ca. 900 KB)
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Intro

Zum Thema des Kultursommer Rheinland-Pfalz »Wissenschaft und Kultur« geht das CinéMayence auf Wahrheitssuche im Film. Wissenschaft dient der Erforschung der Realität und der Suche nach Wahrheit. Auch im Medium Film wird Realität abgebildet. Die Reproduktion der Realität gehört zum Wesen des Kinos. Die fotografische Abbildung überzeugt und hat Beweischarakter. Doch spielt dabei das Kino mit Illusionen und manchmal sogar mit bewußten Täuschungen.

In einem unterhaltsamen und abwechslungsreichen Themenprogramm geht das CinéMayence deshalb der Frage nach, wie es das Kino mit Wahrheit und Lüge hält!

Zum Programm gehören Filme, die überzeugend Wahrheiten und Lügen behaupten, echt falsch sind oder es dem Zuschauer bei der Beurteilung schwer machen zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.
Im einzelnen sind es Filme, die Verschwörungen unüberprüfbar behaupten: wie »Das Netz« von Lutz Dammbeck (9. - 12.6.) und »Tribulation 99« von Craig Baldwin (13.+14.6.); die Fake-Dokumentation »Forgotten Silver« vom Herr-der-Ringe-Regisseur Peter Jackson (13. + 14.); Filmklassiker wie »F for Fake - Lügen und Wahrheiten« vom Meister der Illusion Orson Welles (15.+16.6.) und »Der grosse Diktator« von Charles Chaplin in neu restaurierter Fassung (17.-19.6.). Zu den vorgetäuschten Biografien gehört neben dem »Great Dictator« auch »Forrest Gump« von Robert Zemeckis (20. - 22.6.). Wie ein Film mit Illusionen und voller Wunder sogar gesellschaftliche Wahrheiten aussprechen und dabei noch die Zensur umgehen kann, zeigt »Das Leben, ein Pfeifen« von Fernando Perez aus Kuba (23. - 25.6.). Schließlich gehört mit »The Blair Witch Project« noch ein Film zum Programm, der als vorgeblicher Dokumentarfilm inszeniert ist und bereits vor der Fertigstellung durch seine Ankündigung im Internet für Furore gesorgt hat. (26. - 28.6.).

Hinweis:
Im ZDF ist zur gleichen Zeit die Ausstellung "Bilder, die lügen" der Stiftung Haus der Geschichte zu sehen.


Standbild aus Das Netz Do, 9.- So, 12. Juni, 20.30 h
Wahrheit und Lüge im Film: Verschwörungen / Kultursommer Rheinland-Pfalz
»Das Netz«
Regie: Lutz Dammbeck; K: Thomas Plenert; D 2004, 35mm 1:1,66, 121 Min, dt/engl OmU
Mit: Steward Brand, John Brockman, Heinz von Foerster, Butch Gehring & Chris Waits

»Ich habe erkannt in meinem Leben, dass je mehr ich mich mit der Physik befasse, desto mehr werde ich ein Metaphysiker« (Heinz von Foerster)

»Die Wahrheit ist der Beweisbarkeit überlegen« (Kurt Gödel, Wiener Mathematiker)

Am 3. April 1996 wird Theodore J. Kaczynski in den Bergen Montanas vom FBI verhaftet. Dem ehemaligen Harvard-Absolventen und Mathematikprofessor wird zur Last gelegt, als »Unabomber« Anschläge gegen Personen aus Wissenschaft, Kunst, Militär und Computertechnologie verübt zu haben. Wieso wandelt sich ein Musterschüler mit einem IQ von 170 zu einem »most wanted« Terroristen?

»Das Netz« taucht ein in die Geschichte von Ted Kaczynski und spürt den Einflüssen und Utopien nach, unter denen seine Generation aufgewachsen ist: Die Hippie-Kultur Kaliforniens mit ihren ausgeflippten Rockkonzerten und LSD-Räuschen. Die Kunstszene New Yorks, wo schräge Multimedia-Events und Beat-Happenings an der Tagesordnung sind. Die wissenschaftlichen Utopien einer durch Technologie versöhnten Welt, wie sie in den Laboren der Computerfreaks ausgedacht werden.

"Multimedia", "Virtualität", "Grenzüberschreitung" und "Revolutionen" aller Art sind Begriffe, die nicht erst im Computerzeitalter geprägt wurden, sondern bereits in den 60-er-Jahren die Kunstavantgarde interessierten. Die Gemeinsamkeit beider Richtungen besteht darin, dass sie Realität nicht als etwas Gegebenes betrachten, sondern als beliebig veränderbar: »Du bist, was du sein willst«. Diese Überschneidungen von Technologie und Kunst und die damit aufgeworfenen Fragen sind Inspiration, um einige Protagonisten der Bewegungen zu treffen.
Der Weg führt als erstes nach New York, wo der Literaturagent und Verleger John Brockman in den 80-er-Jahren mit den Büchern von Physikern, Genforschern und Computerwissenschaftlern reich und berühmt geworden ist. Sein Erfolgsgeheimnis: Er vermarktet seine Schützlinge wie Popstars und kreiert einen elitären Zirkel, den er "digerati"- Cyber-Elite - nennt.
1993 wird Brockmans Netzwerk von einem Bombenanschlag attackiert, dem der Computerwissenschaftler David Gelernter zum Opfer fällt. Als Täter verhaftet das FBI später den ehemaligen Mathematik-Professor und Harvard-Absolventen Ted Kaczynski. Warum wird ein Mathematiker zum Terrorist?


Standbild aus Das Netz Zwischen 1978 und 1995 erschüttern Bombenanschläge die USA, bei denen drei Menschen sterben und 23 zum Teil schwer verletzt werden. Ziel der Attacken sind Chefs großer Fluggesellschaften und Wissenschaftler an Universitäten. Als Täter wird der so genannte "Unabomber" ausgemacht, der seitdem durch die Netzwelt geistert. In Bekennerschreiben fordert die Terrorvereinigung "FC" (Freedom Club) die Veröffentlichung eines Manifests. Am 2. August 1995 erscheint in der Washington Post der Vorabdruck des 56-seitigen "The Unabomber-Manifesto" und führt zur Verhaftung des Mathematikers Ted Kaczynski (s. Phantombild).
***
Im Interview mit Stuart Brand, dem Erfinder des Begriffs "Personal Computer" und Herausgeber des alternativen "Whole Earth Catalog", wird der Zusammenhang von Computertechnologie, Hippiekultur und LSD-Szene deutlich. Genauso wie Ken Kesey, Hippie-Ikone und Autor von "Einer flog über das Kuckucksnest", hatte Ted Kaczynski an staatlichen Drogenexperimente teilgenommen und war beeinflusst von der amerikanischen counter culture. Allerdings pries diese nicht nur den Rückzug in die Natur, sondern zeigte sich offen gegenüber Hackern und Computertechnologie, der ein demokratisches Potential, dadurch dass sie persönlichen Zwecken diente, zugesprochen wurde.
***
Standbild aus Das Netz Mit der Berechnung der Flugbahn deutscher Jagdflieger stellt der Mathematiker Norbert Wiener (s. Bild) seine Forschungen am MIT in den Dienst des amerikanischen Militärs. Er will das komplexe Zusammenspiel der Nachrichtenübertragung in Maschinen und Lebewesen untersuchen und herausfinden, welche (berechenbaren) Parameter den Piloten eines Jagdfliegers zu bestimmten Handlungen veranlassen. Hieraus entwickelt sich die Kybernetik.
***
In seiner Korrespondenz äußert sich der im Gefängnis zu lebenslänglicher Haft einsitzende Ted Kaczynski über die Zukunftsvision einer "nach-technologischen Gesellschaft". Der 1958 mit einem IQ von 170 sein Studium in Harvard aufnehmende 16-Jährige wurde 1967 Mathematik-Professur an der Universität von Berkeley. Zwei Jahre später stieg er aus, wandelte sich zum Technologie-Gegner und lebte zurückgezogen in den Wäldern Montanas. WARUM?
***
Henry A. Murray leitet eine Versuchsreihe des CIA, bei der mit Drogen experimentiert wird. Den Versuchspersonen wie Ted Kaczynski wird auch LSD 25 verabreicht, um ihr Unbewusstes neu zu programmieren und ihr Verhalten steuern zu können. Murray und der junge Psychologie-Professor Timothy Leary nehmen selbst an den Experimente teil. Alle Versuchsläufe werden gefilmt; später verschwinden jedoch die Filmrollen mit Kaczynski, so wie alle anderen ihn betreffenden Materialien.
***
1993 erhält der Informatiker David Gelernter eine Briefbombe, durch die er seine rechte Hand und ein Auge verliert. Als Computerwissenschaftler an der Yale-Universität und Chef von "Mirrorworlds", einer Software-Firma, befasst er sich mit der »Vision einer zukünftigen virtuellen Gesellschaft, die nur noch auf Software basiert«. Dass die moderne Computer-Technologie tendenziell nicht kontrollierbar ist, hält Gelernter für positiv und ungefährlich.
***
Standbild aus Das Netz »Der Mathematiker Ted Kaczynski wird 1998 zu lebenslanger Haft verurteilt. Gegen seinen Willen kommt es vor Prozessbeginn zu einer Absprache zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht. Kein regulärer Prozess, keine Einweisung in die Psychiatrie, kein Todesurteil und keine Möglichkeit auf Begnadigung. Ted Kaczynski bestreitet bis heute, der "Unabomber" gewesen zu sein.«
***
(Off-Ton Dammbeck): »Was habe ich bisher? Ich habe einen Mathematiker, über dessen Systemkritik keiner meiner Interviewpartner reden will. Und ich habe Ingenieure und Künstler, die von Technologie besessen sind. All das gehört offensichtlich zu einem System, dessen Konturen ich erst erahne. Anscheinend ein geniales Feedback-System, das jeden Angriff und jede Störung umgehend als Energiezufuhr für seine weitere Perfektionierung nutzt. Wer braucht so etwas, wer denkt sich sowas aus?«


Offizielle Internetseite: www.t-h-e-n-e-t.com
Filmheft der Bundeszentrale für politische Bildung: bpb-filmheft.pdf



Mo, 13. + Di, 14. Juni, 20.30 h
Wahrheit und Lüge im Film: Mockumentary / Kultursommer Rheinland-Pfalz
Double Feature: »Forgotten Silver« + »Tribulation 99«
- ein sehr spezielles Programm für Kino-Fans und Film-Nerds

Standbild aus Forgotten Silver Film 1) »Forgotten Silver (Kein Oscar für McKenzie - Ein Filmpionier und seine Erfindung)«
Regie: Peter Jackson; Neuseeland 1995, 35mm, 100 Min, OF
Mit: Peter Jackson, Harvey Weinstein, Costa Botes, Sam Neill, Thomas Robins u.a.

INHALT: In »Forgotten Silver« beweist Peter Jackson, daß sein Landsmann, der neuseeländische Filmpionier Colin McKenzie, bereits 1908 ein Tonfilmverfahren entwickelte und die ersten Farbsequenzen der Filmgeschichte schuf. McKenzie starb als Kameramann im Spanischen Bürgerkrieg und geriet in Vergessenheit, bis in den frühen 1990er-Jahren verschollenes Filmmaterial auftauchte. Peter Jackson, präsentiert nun eine Entdeckung, derzufolge die Filmgeschichte umgeschrieben werden muss ...

KRITIK: »Seit der "Herr der Ringe"-Trilogie hat der Name Peter Jackson auch auf dem deutschen Video- und DVD-Markt Zugkraft. Daher wurde nun mit neun Jahren Verspätung ein kleiner Dokumentarfilm veröffentlicht, den der Regisseur aus Neuseeland einem Kollegen und Landsmann gewidmet hatte, dem der große Ruhm verwehrt blieb. Colin McKenzies Beitrag zur Kinogeschichte war jahrzehntelang verschollen, bis Jackson durch Zufall in den Besitz alter Filmrollen gelangte, auf denen sich das komplette Lebenswerk des bis dato unbekannten Regisseurs befand. (...) Er entwickelte Methoden, Bild und Ton parallel aufzunehmen, experimentierte mit Farbfilm und nutzte die emotionale Kraft des Close Ups, lange bevor man in Hollywood von diesen Errungenschaften zu träumen wagte. Doch immer wieder sorgte die Macht des Zufalls dafür, dass McKenzies geniale Erfindungen keine große Öffentlichkeit fanden. Dieses Schicksal ereilte auch sein Magnus Opus, eine Verfilmung der Bibel-Geschichte um Salome und Johannes, den Täufer, für das er im Dschungel Neuseelands eine gigantische Kulisse erbauen ließ, das er aber nie vollendete und zur Aufführung brachte. (...)
Der ebenso spannende wie humorvolle Film lässt Zeitzeugen und prominente Filmschaffende zu Wort kommen und zeigt rekonstruierte Originalaufnahmen.« (film-dienst)

Offizielle Filmseite: www.forgottensilver.de

Standbild aus Tribulation Film 2) »Tribulation 99 - Alien Anomalies under America«
Regie: Craig Baldwin, USA 1991, 16mm, 50 Min, OmU
Mit J. F. Kennedy, F. Castro, Sandino u.a

INHALT: Die Quetzals, Aliens aus dem Weltall, versuchen nach einer Invasion in Lateinamerika die Entscheidungen hoher us-amerikanischer Politiker zu beeinflussen und die Weltmacht zu ergreifen. In 99 paranoid-fanatischen Reden des Regisseurs Baldwin werden Zusammenhänge zwischen verdeckten CIA-Operationen in Lateinamerika, Gedankenkontrolle, Fidel Castro's Kuba, George Bush's College-Bruderschaft, dem Attentat auf J.F. Kennedy und vieles mehr behauptet und mit einem Blitzlichtgewitter von Filmaufnahmen bewiesen.

Das Bildmaterial stammt unter anderem aus abgefilmten Fernseh-Nachrichten, Fantasy- und SciFi-B-Movies und Dokumentarfilmen und wurde in dreijähriger Arbeit kompiliert. Zu sehen sind u.a. unterirdische Städte aus Flash Gordon, Mutanten, Präsident Eisenhower in einem UFO, Fidel Castro und Dr. No, Dinosaurier, Killer-Androide, die für Kennedys Tod verantwortlich sind, und Militäroperationen auf Grenada.

KOMMENTAR: Der Film ist eine Mischung aus apokalyptischer Prophezeiung, politischer Verschwörungsfantasie und schwarzer Komödie (in »Wahrheit« ist der Film aber eine Verurteilung der amerikanischen Südamerika-Politik zur Zeit der Iran-Contra-Affäre).

»It was curious the way that certain ideas were between the official, political history and the very unofficial paranoiac version of things. There were often these weird alignments. Sometimes it was easier to believe the UFO stuff than it was to believe the CIA story that was used to justify our intervention in some country« (Craig Baldwin)

Die Themen und Methoden von »Tribulation 99« wurden bald darauf vom Hollywood-Kino und den Mainstream-Medien aufgegriffen, wie etwa in »JFK« (Oliver Stone, USA 1992), »X-Files«, »Dark Skies« oder »Independence Day« - allerdings ohne die metamediale Ebene Baldwins.

Filmseite von Craig Baldwin: www.othercinema.com


Standbild aus F for Fake Mi, 15. + Do, 16. Juni, 20.30 h
Wahrheit und Lüge im Film: Fake / Kultursommer Rheinland-Pfalz
»F for Fake - Verités et mesonges....«
Regie: Orson Welles;
Frankreich/Iran /BRD 1973/75, 16mm, 100 Min, OF
Mit: Orson Welles, Oja Kodar, Elmyr de Hory, Clifford Irving, Joseph Cotton, François Reichenbach, Peter Bogdanovich u.a.

»Dies ist ein Film über Tricks und Lügen« (Orson Welles).

Standbild aus F for Fake INHALT: Im Mittelpunkt des Dokumentar-, Spiel- oder Experimentalfilms (?) stehen drei Personen. Zunächst der Kunstfälscher Elmyr de Hory, der Werke von Malern wie Matisse, Modigliani oder Picasso gefälscht und an Museen und Galerien verkauft hat. Seine erfolgreiche Karriere als Fälscher wurde schlagartig durch die Veröffentlichung einer enthüllenden Biografie des Schriftstellers Clifford Irving beendet. Irving ist die zweite Hauptperson in »F for Fake«. Clifford Irving veröffentlichte noch eine Biografie - die des Industriemagnaten Howard Hughes. Während der Produktion von »F for Fake« wurde enthüllt, dass es sich bei der Biografie um eine Fälschung handelte.
Welles sucht de Hory und Irving in de Horys Villa auf Ibiza auf und geht in seinen Interviews der Frage nach, was eine Fälschung ist und inwiefern sie sich von echter Kunst unterscheidet. Die dritte Hauptperson ist Oja Kodar, eine jugoslawische Künstlerin, die Picasso zu 21 Aktbildern inspiriert haben soll. Oja Kodar ist eine langjährige Mitarbeiterin von Orson Welles und war dessen Lebensgefährtin.

KOMMENTAR: »Ein brillanter Filmessay, der die Schwierigkeit oder gar Unmöglichkeit vor Augen führt, sowohl in der Kunst als auch im Leben Wahrheit und Lüge, Echtheit und Fälschung voneinander zu unterscheiden. Mit Witz und Geist macht sich Orson Welles über die Expertokratie lustig, die den Fälschungen erst ihre Wirkung verleiht, und glossiert die Möglichkeiten der Manipulation von Individuen und Massen durch die Medien.« (film-dienst)

Standbild aus F for Fake »It's all true!« (Orson Welles)
Der Film beruht auf der Biografie eines Fälschers, die von einem anderen Fälscher geschrieben wurde und auf Material, das zu diesem Thema von einem anderen Filmemacher gedreht wurde. Die widersprüchlichen Geschichten werden aus unterschiedlichen Erzählperspektiven im objektiven wie subjektiven Stil erzählt. Immer wieder ist nicht nur Welles als Filmemacher, sondern auch das Team im Bild zu sehen. Welles verwendet hier sogar das- bei ihm sonst verpönte- Zoom zur Vortäuschung von Fernsehfeature-Konventionen und ein Teleobjektiv für voyeuristische Blicke. Das Medium Film wird als Film im Film reproduziert, aber auch die als Authentizitätsbeweis vorgelegten Fotografien oder handschriftlichen Dokumente werden abgefilmt und damit indirekt hinterfragt.


Standbild aus Der grosse Diktator Fr, 17. - So, 19. Juni, 20.30 h
Wahrheit und Lüge im Film: Biografie und Täuschung/ Kultursommer Rheinland-Pfalz
»The Great Dictator (Der grosse Diktator)«
Regie: Charles Chaplin; Musik: Charles Chaplin, Meredith Wilson, USA 1940 (WA 2005), 35mm 1:1,33, 124 Min, OmU
D: Charles Chaplin, Paulette Goddard u.a.;

INHALT: Der Diktator Hynkel wird nach dem Einmarsch seiner Truppen in das Land Austerlich per Zufall mit seinem Doppelgänger, einem aus dem KZ entflohenen jüdischen Barbier, verwechselt. Der verstörte kleine Mann wagt es, statt der vom Regenten erwarteten Staatsrede einen flammenden Appell für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden zu sprechen ...

KOMMENTAR: Die Ähnlichkeit zwischen der Tramp-Figur Chaplins und Adolf Hitler, manifestiert im absurden Schnurrbart, war in den 30er Jahren immer wieder Gegenstand von Karikaturen und Witzen. 1938 greift Chaplin diese Ähnlichkeit auf, um eine Filmsatire auf Grundlage der Verwechslung zwischen dem Diktator Adenoid Hynkel und einem kleinen jüdischen Friseur zu entwickeln. Am 1. September 1939, dem Tag des deutschen Einmarschs in Polen, ist die Drehfassung des Filmskripts fertig, am 9. September beginnen die Dreharbeiten. Mit Der große Diktator hat Chaplin ein Meisterwerk der Filmgeschichte geschaffen: Eine, wie Eisenstein schrieb, «großartige, vernichtende Satire, dem Sieg des menschlichen Geistes über die Unmenschlichkeit zum Ruhm«. Der Film war in vielerlei Hinsicht ein gewagtes Unterfangen: Der große Diktator ist nicht nur Chaplins erster Dialog-Film, zum ersten Mal bekennt er hier auch offen seine politischen Überzeugungen. Die größte Herausforderung freilich lag im Sujet selbst: die Balance zu halten zwischen Chaplins erklärtem Wunsch, die Welt möge über Hitler lachen- und dem Respekt gegenüber den Opfern des Nazi-Terrors.

Standbild aus Der grosse Diktator Zur Rezeption und Wiederaufführung:
In Deutschland wird »Der große Diktator«- sieht man von einer Filmkopie ab, die sich Goebbels angeblich besorgt und an die Reichskanzlei ausgeliehen haben soll- erstmals kurz nach Kriegsende in einer von den Allierten für ausgewählte Filmschaffende und Intellektuelle organisierten Vorstellung gezeigt. Man befindet, dass es für eine Aufführung des Films in Deutschland noch zu früh sei. Erst 1958 kommt »Der große Diktator« in die west-deutschen Kinos, in der DDR wird er erstmals 1980 im Fernsehen aufgeführt.

Seit einigen Jahren arbeiten die Cineteca di Bologna und das Kopierwerk Immagine Ritrovate im Auftrag der Chaplin Association an der Restaurierung der Filme Chaplins. Das Ausgangsmaterial für die Bild-Restaurierung von »Der Große Diktator« war eine vom Original-Negativ gezogene, gut erhaltene Filmkopie, die es ermöglichte, die originalen Kontraste und die Lichtbestimmung wiederherzustellen. Für die Tonbearbeitung stand ein Band der originalen Endmischung zur Verfügung. Mit Hilfe digitaler Technologien wurden Kratzer und andere Beschädigungen der Tonspur beseitigt. Als Ergebnis stehen heute Filmkopien in einer den Original-Vorgaben entsprechenden, bisher nicht gekannten, brillanten Bild- und Tonqualität zur Verfügung.

»Pünktlich zum Filmstart der restaurierten Fassung meldete sich nun Hitler-Biograph Joachim Fest zu Chaplins Darstellung des «großen Diktator» zu Wort. Hitler sei keine Witzfigur gewesen, sagte der Historiker dem Deutschlandradio. Daher verharmlose die Filmparodie das Phänomen und stelle die Schrecken der Geschichte nicht angemessen dar. Im gleichen Atemzug machte Fest noch einmal Reklame für Eichingers Melodram «Der Untergang», der auf einem von ihm verfassten Sachbuch basiert: »Der erste, der den ganzen Ernst und die ganze Schrecklichkeit dieser Figur auf die Leinwand gebracht hat, war Bruno Ganz.«
Nun ist Fest kein Filmwissenschaftler, sondern Historiker, und doch hätte er es schon allein deshalb besser wissen können. Dass Chaplin seinen Film von 1940 im vollen Wissen um die Ausmaße der nationalsozialistischen Massenvernichtung wohl nicht gedreht hätte, hat er, wie gesagt, selbst eingestanden. Es ist in Fests Argumentation aber ein noch schwerwiegenderer Denkfehler enthalten: Die Unterstellung nämlich, dass ein Mime «die ganze Schrecklichkeit dieser Figur», durch besonders ernsthafte Schauspielerei darzustellen imstande sei.
Die naive Vorstellung also, dass das Medium Film durch 'glaubhafte', weil naturalistische Verfahren im Stande sei, das Dritte Reich oder auch nur das Phänomen Hitler 'adäquat' auf die Leinwand zu bannen. Ein Motiv, das wohl die treibende Kraft hinter sogenannten Spielfilmen ist, die doch eigentlich Doku-Fiction sein wollen, und auch umgehend als solche rezipiert werden. In Mel Gibsons Passionsfilm wurde dieser Anspruch, durch den sich sofort kirchliche und politische Kreise provoziert fühlten, durch die aramäische Sprachfassung formuliert, in «Der Untergang» ist es die Adaption des gleichnamigen historischen Sachbuchs, der den Film von vornherein über den Geltungsbereich kinematografischer Fiktion erheben soll.« (Ronald Düker, Voice of Germany)

Offizielle Filmseite: www.der-grosse-diktator.de


Standbild aus Forrest Gump Mo, 20. - Mi, 22. Juni, 20.30 h
Wahrheit und Lüge im Film / Kultursommer Rheinland-Pfalz
»Forrest Gump«
Regie: Robert Zemeckis; D: Tom Hanks, Robin Wright, Gary Sinise, Sally Field u.a
USA 1993, 35mm, 142 Min, DF

INHALT: Savannah/Georgia, Anfang der 80er Jahre: Auf einer Bank an einer Bushaltestelle hockt ein höchst ungewöhnlicher Geschichtenerzähler. Das Schicksal, so scheint es zunächst, meinte es nicht gut mit diesem Forrest Gump, der in den vierziger Jahren in Alabama geboren wurde. Vor seiner Einschulung stellten die Ärzte fest, daß sein IQ nur bei 75 liegt, außerdem ist er wegen eines Wirbelsäulenschadens gezwungen, Beinschienen zu tragen. Mut machen ihm lediglich die kleine Jenny - die große Liebe seines Lebens - und seine willensstarke Mutter, Mrs. Gump. Ohne es darauf anzulegen, wird er zum Footballstar, Kriegshelden, Ping-Pong-Champ und Multimillionär, kreuzt sein Leben das prominenter Zeitgenossen. Er begegnet Elvis, John F. Kennedy, John Lennon, Richard Nixon und einigen anderen und bringt die Watergate-Affäre ans Tageslicht. Bei einer der großen Friedensdemos der 60er Jahre in Washington trifft er Jenny wieder, die sich einer Gruppe von militanten Kriegsgegnern angeschlossen hat ...

Standbild aus Forrest Gump KOMMENTAR: In bis dahin unbekannter Perfektion werden in »Forrest Gump« reale Archivaufnahmen von Politikern und geschichtlichen Ereignissen mit neugedrehten Sequenzen nahtlos ineinanderkopiert. Besonders das "Aufeinandertreffen" von Tom Hanks mit den US-Präsidenten Kennedy, Nixon und Ford stellte die Spezialeffekt-Experten vor große Probleme. Das komplizierte Blue Box-Verfahren zwang Tom Hanks mehr als 100 Mal, vor einer blauen Leinwand stehend, einem imaginären Staatsoberhaupt die Hand zu schütteln. Während solche Effekte nicht prinzipiell neu waren (vgl. »Citizen Kane« oder »Zelig«), wurde für den Film außerdem Pionierarbeit geleistet, in dem ein digitales Bildbearbeitungsverfahren entwickelt wurde, das wenige Personen in einem Ausgangsbild zu einer vervielfachten Menge im Bild nach der Bearbeitung macht. Mit Hilfe dieser »crowd replication« wurde aus einer Aufnahme mit 700 Statisten der Protest von 100.000 Menschen gegen den Vietnamkrieg.

(In Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz)


Standbild aus Das Leben, ein Pfeifen Do, 23. - Sa, 25. Juni, 20.30 h
Wahrheit und Lüge im Film: Wahrheit im Gewand der Lüge / Kultursommer Rheinland-Pfalz
»La vida es silbar (Das Leben, ein Pfeifen)«
Regie: Regie: Fernando Pérez; D: Luis Alberto Garcia, Coralia Veloz, Bebé Pérez, Isabel Santos
Kuba/Spanien 1998, 35mm 1:1.85, 106 Min, OmU

INHALT: Drei Menschen in Havanna auf der Suche nach dem persönlichen Glück. Mariana, eine junge Ballett-Tänzerin, würde liebend gerne die Rolle der Giselle tanzen und begehrt genauso enthusiastisch die Körper junger Männer. Der Musiker Elpidio wurde als kleiner Junge von seiner Mutter Cuba verlassen, weil er nicht nach deren Wünschen geraten war. Jetzt lebt der Mischling von seinen Mutter-Mythen umrankt und lernt eine junge Umweltaktivistin kennen, die in Havanna per Heissluftballon gelandet ist. Julia schliesslich arbeitet als Pflegerin in einem Altersheim. Regelmässig überkommen sie Gähnanfälle, als ihr besonderer Einsatz fürs Allgemeinwohl ausgezeichnet werden soll. Es gibt vieles, was Julia in ihrem Leben verdrängt. Allein beim Stichwort «Sex» fällt sie schon in Ohnmacht. Ihre Lebensfäden hält die 18-jährige Bebé in der Hand, eine Art Märchenfee und Traumfigur, die vollends glücklich ist und möchte, dass es den anderen Drei auch so ergeht.

Standbild aus Das Leben, ein Pfeifen KOMMENTAR: Bebé ist eine fiktive Märchenfigur, die auf rätselhafte Weise für das glückliche Zusammentreffen der drei Protagonisten verantwortlich ist. Sie ist nicht nur Figur im Film, sondern auch die Erzählerin des Films selbst. Als sie als Erzählerin versucht das Glück der drei Filmfiguren quasi autoritär per Dekret zu erzwingen, scheitert sie daran. Mariana, Elpidio und Julia müssen ihr Glück selbst in die Hand nehmen. Die Kausalität der Handlungen im Film bleibt offen.
Obwohl der Film keine direkte Kritik am politischen Regime äußert, ist er eine ästhetische Auseinandersetzumg mit lügenhaften Ideologien.
Was den Revolutionsplatz als Ort dieser Begegnung anbelangt, so möchte ich als Künstler dorthin gehen können und die Melodie pfeifen, die ich will. Jeder Mensch soll dieses Recht haben, es darf nicht nur eine einzige Melodie geben. (Fernando Pérez)

KRITIK: »Ein wahres Juwel ... Ohne moralisierend, kompliziert oder elitär zu sein, werden große Inhalte und bewegende Menschenschicksale mit viel Witz und herzerfrischender Leichtigkeit 'rübergebracht... « (epdFilm).


Standbild aus Blair Witch Project So, 26. - Di, 28. Juni, 20.30 h
Wahrheit und Lüge im Film: Pseudo-Doku / Kultursommer Rheinland-Pfalz
»The Blair Witch Project«
Regie: Daniel Myrick, Eduardo Sánchez; mit Heather Donahue, Michael C. Williams, Joshua Leonard u.a.
USA 1999, 35mm, 81 Min, OmU

INHALT: Drei Filmstudenten brechen nach Maryland auf, um eine Dokumentation über die regionale Legende der so genannten Blair-Hexe zu drehen. In Gesprächen mit Ortsansässigen erkennen sie, dass der Mythos noch immer lebendig ist. Ausgerüstet mit Video- und Filmkameras begeben sie sich in einem düsteren Wald auf die Suche. Als eines Morgens einer von ihnen verschwunden ist, stoßen die beiden anderen bei der Suche auf ein einsames Haus...
Monate später, nach vergeblicher Fahndung nach den drei Studenten, findet sich ein Seesack. Dieser enthält Videobänder und 16mm-Rollen, die von den Vermissten aufgenommen wurden- ihre einzige Hinterlassenschaft. Wir dürfen sie unter dem Titel »Blair Witch Project« sehen.

Standbild aus Blair Witch Project Die Geschichte der Blair-Witch und der drei vermissten Studenten wurde vor der Veröffentlichung des Films mit großem Zugriffserfolg im Internet präsentiert und mit einer Reihe von dokumentarischen Hinweisen versehen. Der Hype dieses Medienverbundes mit dem Internet trug wesentlich zum Erfolg des Films bei, der mit nur $35.000 Dollar gedreht wurde, aber mehr als $140 Millionen an der Kinokasse einspielte. Inzwischen haben die Macher von Blair Witch eine Mini-Serie angekündigt (»The Strand«), die als Webisodic im Internet veröffentlicht werden soll. (siehe www.strandvenice.com)

KOMMENTAR: »Der Film weist unentwegt auf seinen apparativen Eigensinn und seine Opakheit hin, nimmt dem filmischen Signifikanten seine Transparenz durch die Betonung der Kamerawirklichkeit und der Aufzeichnungsapparatur, und bewirkt gerade dadurch, dass wir mehr halluzinieren, als tatsächlich zu sehen ist.« (Michael Palm, nach dem film)

Offizielle Filmseite: www.blairwitch.com
Audio (7 sec): www.blairwitch.com/whatsound.mov


.... und im Anschluss ein Special der Langen Kurzfilmnacht zum gleichen Thema:

Standbild aus Ein Wunder Mi, 29. Juni, 20.30 h
Lange Kurzfilmnacht
»Bilder, die lügen«
Wahr oder falsch? Kurzfilme und Videos zum Thema »Bilder, die lügen«
Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz

Seit 1999 veranstaltet die Landeszentrale für Politische Bildung Rheinland-Pfalz im CinéMayence eine lange Nacht des politischen Kurzfilms. Anläßlich der Ausstellung »Bilder, die lügen« ist die diesjährige Kurzfilmnacht dem Thema Wahrheit und Lüge im Film gewidmet.

Aufgrund seiner Eigenschaft fotografisch mechanisch, also scheinbar ohne menschliche Einmischung Wirklichkeit abzubilden, genießt das Medium Film einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit. Andererseits ist Film aber auch das Medium der Illusion und wird nichtzuletzt genau deshalb geschätzt. Deshalb wissen wir, daß Bilder lügen können, doch nicht immer, ob und wann sie dies tun. Bleibt die »Wahrheit« dabei auf der Strecke? Welches Verhältnis hat das Medium Film zu Wahrheit und Lüge entwickelt?

Filmemacher nutzen diese Doppelbödigkeit des Mediums auf vielfältige Weise. Als bewußte Manipulation, gezielte Lüge oder zur Erzeugung von Illusionen, die selbst wiederum falsche, aber auch echt wahre Aussagen über die Wirklichkeit treffen können. Besonders interessant sind Filme, die absichtlich die Grenzen zwischen Fiktion und Dokumentation verwischen und dabei der Aufklärung willen täuschen.

Im Rahmen des Programms werden deutsche und internationale Kurzfilme gezeigt, die diese Fragen und Themen aufgegreifen und witzig und listig demonstrieren. Die Zuschauer werden eingeladen sich verführen oder zu einem eigenen Urteil anregen zu lassen. Ein Imbiss und Getränke erleichtern die Diskussionen.

Es laden ein: die Landeszentrale für Politische Bildung Rheinland-Pfalz in Kooperation mit dem CinéMayence. Eintritt: 3,50 Euro (Einheitspreis)
Sonderseite mit dem kompletten Programm der Kurzfilmnacht kurzfilmnacht05.html


HINWEIS:

  • Wir erproben die Online-Reservierung und die Online-Aufnahme in den Programmversand (nur mit JavaScript-fähigen Browsern - z.B. Netscape ab vers. 3.x - via AOL gehts leider nicht).
  • Neuigkeiten und Programmverhaben veröffentlichen wir unter CinéMayence-Neuigkeiten.

    CinéMayence
    Grafik Schoenborner Hof Fassade Studiokino der AG Stadtkino e.V.
    im Schönborner Hof (Maison de France)
    Schillerstraße 11
    55116 Mainz
    Kartenreservierungen: Tel. 06131/22 83 68 | E-Mail

    Film-Links: Kommunale Kinos | Kurzfilm-Magazin Shortfilm.de | Filmbüro RLP
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